Donnerstag, 8. Dezember 2011

Worin soll man arbeiten?


Ich finde einen Blick in die Statistik, wer wie viele Menschen einstellt, ernüchternd. Die Voraussetzung für Zivilisation ist, dass eine Minderheit die Mehrheit füttern kann, und das funktioniert: nur 10 % der  Bevölkerung (gemeint ist immer die arbeitende Bevölkerung) arbeiten im Agrar-Sektor. Aber was soll der Rest tun?
Man könnte in einer Fabrik arbeiten und irgend etwas zusammensetzen, dass sich ein anderer ausgedacht hat. Das tun 12 % der Bevölkerung. Man könnte anderer Leute Produkte durch die Gegend fahren. Das tun 3 % der Bevölkerung. Man könnte für den Staat arbeiten und seine Mitmenschen zwingen, Dinge in Formulare einzutragen, die dem Staat schon bekannt sind. Das tun 15 % der Bevölkerung.
Unsere Vorfahren stapften durch die Savanne und errieten neue Arten, große Säugetiere zu töten. Die, die darin gut waren, lebten lang genug um eigene Nachfahren zu haben. Sind wir so weit gekommen, um jetzt nur noch eine kleine Elite für den Rest im Arbeitsalltag denken zu lassen?
Ich habe keine Illusionen über das Leben meiner Vorfahren. Vor nur 70 Generationen sahen meine Vorfahren die meisten ihrer Verwandten verhungern, bevor sie 30 wurden. Meine Vorfahren waren die Wenigen, die Nachwuchs zeugen konnten, der lang genug lebte, um selbst Nachfahren zu haben.
Und doch waren sie anders als wir: Sie lebten frei und unabhängig und verbrachten den Tag mit ihren Familien. Sie wussten bestimmt mehr als ich darüber, wie Wolken aussehen. Ich sehe kaum nach oben. (Natürlich waren sie auch strohdoof. Wenn ich ihnen sagen würde, dass einer der Punkte am Nachthimmel ein Planet ist und kein Stern, mithin grundverschieden von den anderen, sie könnten mir kaum folgen.) Wie viel von diesem Stolz gibt es in der modernen Arbeitswelt?
Immerhin etwas. Vor einem Jahr saß ich zu Tisch mit einem Manager einer großen Supermarktkette. Jemand fragte ihn: Und, ab wann werden wir unsere Einkäufe online bestellen können, und sie werden uns nach Hause geliefert? Er winkte ab. Die Marge bei Lebensmitteln ist unfassbar gering. Mit dieser Marge kann man auf keinen Fall jemanden bezahlen, der die richtige Mischung aus dem Lager holt, zusammenstellt, und zu dir nach Hause fällt.
Und ich musste lächeln, denn: der Manager hat Glück an einem der wenigen interessanten Probleme arbeiten zu dürfen, die sich im modernen Wirtschaftsleben stellen. Wie bekommt man die Lebensmittel zum Kunden? Wie kann der Kunde seine Bestellung so absetzen, dass es nicht mehr Arbeit ist, als zum Supermarkt zu fahren? Welches Gerät braucht dafür ein Kunde? Welches Gerät ist der Schlüssel in den neuen Markt?
Irgend jemand wird diese Fragen beantworten können, und ich bin auf ihn schon jetzt neidisch. So sollte das moderne Leben sein. Das ist die Art Problem, die jeder Mensch bearbeiten dürfen sollte.
Ich selbst arbeite an wichtigen Problemen. Wie kann Software modularer werden? Wie können Entwickler leichter kollaborieren? Ich bin wohl einer der Glücklichen. Aber nur wenige können ewig an der Universität bleiben, und selbst die Computer-Industrie ist voller uninteressanter Probleme.
Kann das moderne Familienleben die uninteressante Arbeit ausgleichen? Ich zweifle. Kinder lernen nichts Interessantes von ihren Eltern. Der Einfluss des Elternhauses, der über die Gene hinausgeht, auf die Persönlichkeit des Nachwuchses ist nicht mehr messbar. (Siehe etwa “The Blank Slate”.) Meine Vorfahren brachten ihren Kindern noch alles bei, das sie wussten.
90 % der arbeitenden Bevölkerung müssen nicht mehr am einzigen arbeiten, das unerlässlich ist: an Nahrung. Diese 90 % könnten, falls die 10 % zustimmen, in einer Vielzahl von Welten leben, die wir selbst bestimmen können. Wir haben nie darüber abgestimmt, dass das moderne Leben so sein soll, wie es ist. Aber immerhin gibt es ja 193 unabhängige Mitgliedsstaaten der UN. Dazu noch ziemlich unabhängige Schweizer Kantone und US-Bundesstaaten. Aber nirgends hat irgend eine Gesellschaft etwas schlaueres Erfunden als das moderne Leben aus kleinen Eliten einem großen Rest.
Über das moderne Leben zu sinnieren ist nicht erbaulich.

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